Schon seit Beginn der Oberstufe, doch jetzt mehr denn je, hängt ein einzelnes, beängstigendes Wort beinahe bedrohlich über den Köpfen der diesjährigen Zwölftklässler: Abitur.
Unsere gesamte Schullaufbahn hat sich auf diesen einen Punkt konzentriert, die große Abschlussprüfung, nach der wir frei sind – und jetzt soll auf einmal alles so schnell vorbei sein? Wir sollen jetzt die Großen sein? Ich erinnere mich noch, wie ich 2011 als Achtklässlerin ans LGH kam; damals war ich beinahe ehrfürchtig vor den Abiturienten, habe ihre Erwachsenheit bewundert – und jetzt sind wir es selbst. (Oh je.)
Es ist nicht einmal mehr ein Jahr, das wir hier verbringen; etwas weniger als fünf Monate sind es bis zum Beginn des schriftlichen Abiturs, und die Zeit danach vergeht zwischen Ferien und mündlichem Abitur sehr schnell; im Juli werden wir nicht mehr am LGH sein.
Man weiß nicht, welchen Leuten man Glauben schenken soll; den Leuten, die behaupten, das Abitur wäre nur eine weitere große Klausur oder den leidend lächelnden Studenten, die meinen, das Abitur sei ein Witz verglichen mit Examina an der Uni (nicht dass das die Nervosität auch nur im Geringsten mildern würde).
Und nicht nur die Abiturprüfung an sich, sondern auch alles andere, was das letzte Schuljahr mit sich bringt, ist gelinde gesagt eine Herausforderung.
Denn wenn selbst der Zahnarzt fragt „Und, was hast du so nach dem Abi vor?“, ganz zu schweigen von Freunden, Familie und Lehrern, wird einem klar, dass man sich tatsächlich mal ernsthaft mit seiner Zukunft auseinandersetzen muss. Natürlich hat hat sich Frage „Was will ich denn eigentlich für den Großteil meines restlichen Lebens machen?“ wie eine riesige graue Gewitterwolke schon lange am Horizont unseres Schullebens zusammengezogen, angefangen vielleicht mit der Belehrung zum BOGY in der 10. Klasse („Da könnt ihr euch schon mal überlegen, welcher Beruf euch interessieren würde“), oder vielleicht schon mit der Bewerbung am LGH („Der Name macht sich bestimmt gut auf meinen Zeugnissen“), vielleicht doch erst später, als man sich bei der Kurswahl zu Beginn der Oberstufe Gedanken machen musste, was einem denn eher liegt und was nicht. Tatsache ist: Jetzt wird’s ernst.
Die Vielzahl an Optionen, die einem dabei offen stehen, erleichtern einem das Leben auch nicht wirklich – möchte ich ein Auslandsjahr machen? Oder doch direkt studieren – aber was? Oder doch ein FSJ? Wie sieht’s aus mit work & travel? Und, und, und.
Dazu kommt die Organisation der Abifeier, die Finanzierung derselben, et cetera – auch kein Kinderspiel.
Um das alles zu meistern bleibt einem nur, den Rat einiger geschätzter Lehrer zu befolgen: die Ruhe zu bewahren und eins nach dem anderen zu tun; sich bewusst zu sein, dass die Abiturprüfung eben auch „nur“ ein Drittel ausmacht und die restlichen erbrachten Leistungen in der Oberstufe sehr wohl zählen, dass nicht alles am seidenen Faden hängt, und am wichtigsten – dass man, wie viele der Ehemaligen des LGH beweisen, selbst trotz einem Abischnitt, der vielleicht schlechter ist als erwartet, trotz der Tatsache, dass die Traumuni einen vielleicht nicht annimmt, trotz irgendwelchen behindernden Umständen, was auch immer sie sein mögen, seinen Weg irgendwie findet.
Der wahre Wermutstropfen der doch irgendwie ersehnten Freiheit ist jedoch, das LGH am Ende dieses Jahres verlassen zu müssen. Zwischen Alltagstrott, Internatsleben und Schule vergisst man schnell, was das LGH ausmacht und was man hier zu schätzen wissen sollte: Die Familiarität, das GM-System, das Behütet-Sein, die vielen wirklich außerordentlichen Lehrer, selbst das Mensaessen. Wenn die Wohnungssuche in einer neuen Stadt ansteht und man auf eine Universität geht, deren Größenordnung absolut nicht vergleichbar ist mit der des LGHs, wird der Mikrokosmos LGH samt all seiner Bequemlichkeiten einem doch fehlen.
Aber wie sicher jeder, der hier schon länger zur Schule geht, bestätigen kann – bei aller Verbundenheit zum LGH, seinen Eigenheiten und Traditionen sind (in meinem Fall) fünf hier verbrachte Jahre mehr als genug. Sicher, die Zeit hier ist intensiv und lehrreich; doch der Reiz der Freiheit (von beispielsweise Internatsregeln) ist definitiv da.
Es bleibt nur, das letzte Schuljahr zu genießen und sich bewusst zu sein, dass alles, was dieses Schuljahr passiert, das letzte Mal sein wird. Der letzte Schuljahresanfangsgottesdienst, die letzte erste Woche, die letzte Anreise nach den Sommerferien, bei der man gespannt ist auf seine WG und die Leute, mit denen man ein weiteres Jahr verbringen wird, und bald werden auch der letzte Weihnachtsball, das letzte Halbjahreszeugnis, der letzte Frühlingsball, die letzte Klausur, das letzte Ausräumen des Zimmers kommen. Und wenn das vorbei ist, fängt ein neuer Abschnitt an – neue Leute, eine neue Stadt, neue Herausforderungen.
Und so viel es auch zu fürchten und zu vermissen gibt: Es gibt mindestens genau so viel, worauf man sich freuen kann.
Bild: P L Chadwick
~Dana Labun
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