Andrevski Kirche

Mich reizte es beinahe zu sehr, über die Hauptstadt zu schreiben, so entstand ein Flickenteppich von Ansätzen während und unmittelbar nach meiner Ankunft in jener Stadt, die mich zugleich faszinierte und doch enttäuschte:

Ich habe schon oft Reiseführer durchgelesen, welche immer auf ihre eigene Art die jeweilige Stadt beziehungsweise das Land als wunderschön bezeichneten. Um ehrlich zu sein, habe ich kein Buch über Kiev aufgemacht, doch ich vermute stark, dass etwas Ähnliches herausgekommen wäre. Allerdings muss ich hierbei zugeben, dass sich die Vorstellung, die Hauptstadt der Ukraine als schön zu bezeichnen, nicht ohne Bedenken gestaltet.

Es ist ziemlich offensichtlich, dass ein Vergleich mit Schwäbisch Gmünd vergebens ist, da sich die beiden Städte in unterschiedlichen Dimensionen befinden. Es würden die riesigen Hochhäuser aus den 60ern des vergangenen Jahrhunderts fehlen. Blockhäuser, neben denen sich selbst die größten Menschen auf den mit Betonplatten ausgelegten Wegen klein fühlen würden. Nach oben zu schauen empfiehlt sich nicht, da man sonst wohl einen der herausstehenden Steine übersieht. Doch wie ungemütlich es auch klingen mag, wir lebten hier für eine Woche – und gewöhnten uns langsam an die heruntergekommenen Häuser.

Auch wenn die Fassade der Häuser nicht dem Einwandfreien gleicht, sieht es im Inneren nicht so aus. Das mit einfachen Fliesen ausgelegte Treppenhaus mit einem oft benutzten Aufzug, welcher dementsprechend schwankt, ist jetzt nicht vertrauenerweckend, aber im Inneren der Wohnungen ist es gemütlich und modern eingerichtet. Es ist auf jeden Fall anders als erwartet. Bevor ich diesen Bericht schrieb, fragte ich auch meine Mitmenschen, was sie denn eigentlich von Kiev halten, ob es nun schön wäre. Obwohl sie nicht immer exakt die gleiche Meinung reflektierten, besaßen sie jedoch etwas gemeinsam: das Zögern der endgültigen Antwort und die Differenzierung zwischen der Altstadt und dem „Neubaugebiet“.

Hauswand in der alten Innenstadt

Übertritt man die Schwelle des Flusses, wo Kiev in zwei Teile geteilt wird, kommt man in ein, naja, fast schon waldähnliches Gebiet. Man sieht nur die vergoldeten Spitzen der orthodoxen Kirchen einzeln hervorblitzen in dem Meer der grünen Bäume. Die alte Stadt. Eine Allee aus Kopfsteinpflaster führt zu diesen Monumenten. Ab und zu entdeckt man zwischen dem ganzen Grün ein kleines Denkmal oder auch größere (unnötige) Bauten wie  zum Beispiel ein Helikopterlandeplatz mitten im Naturschutzgebiet. Am Ende der Straße gibt der dichte Wald plötzlich seine Sicht frei auf die wirklich Stadt. Wie, glaubst du, sieht die Innenstadt aus? Wandern einem etwa abgewandelte Bilder bekannter russischer Städte in den Sinn? Stichwort Russisch – man merkt den Kievern an, dass die Ukraine ein Land ist, welches nach Unabhängigkeit schreit. Bedeutende Plätze mit Denkmälern, die schwere Meilensteine in der Geschichte repräsentieren, ließen einen kurz inne halten und nachdenken. Die Ereignisse, die sich in den vergangenen Jahren abgespielt haben, prägen die Gesellschaft. Sie wollen sich abgrenzen, zeigen, dass sie auch ein eigenes Land sind. Aber bis in den Köpfen der Welt nicht bloß Russland als einziger großer Repräsentat des Osten steht, wird es noch eine Weile dauern. (Obwohl man zugeben muss, dass die Größe mitunter dennoch eine Rolle spielen wird.)

Man kann sagen, dass dieser Teil schön ist, doch mir fehlen die alten Häuser. Wenige Gebäude stehen noch in der Phase ihres Ursprungs. Von manchen sind nur noch die Steine übrig. Nicht wenige wurden Ende des 20. oder Anfang des 21. Jahrhunderts neu konstruiert und auf Vordermann gebracht. Teilweise baute man auf die zerstörten Fassaden. Viele dieser Gebäude wurden gesprengt, die Kultur wurde versucht, zu vernichten, und neue Geschehnisse tragen dazu bei, mich in den Glauben zu wiegen, in einer Stadt zu sein, in der die Historie zum Greifen nah ist. Fast so, als könnte ich sie selber erleben. Vielleicht ist es das, was mich so sehr an dieser Stadt fasziniert. Was ein seltsamer Ort… Trotz der Tatsache, dass es eine Millionenmetropole ist, erlebt man eine relativ geringe Anzahl von Touristen. Wie vielen Leuten kommt es in den Sinn, die Hauptstadt von der Ukraine zu besichtigen?  Doch für Menschen, die gerne Plätze mit wenig Touristen besuchen und gerne Geschichte mögen, ist es zu empfehlen.

Meiner Meinung nach ist es definitiv ein Ort, den man durchaus in dem Rahmen des Mathe-Sprach-Austausch besuchen sollte.

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