Das schwarz-weiß-karierte Schild glänzt matt in der Wintersonne. Eltern laufen in Gruppen daran vorbei, ziehen Koffer, tragen Kisten, schauen auf ihren Smartphones nach, wann genau nochmal dieses GM-Gespräch stattfinden soll. Die wenigsten werfen einen Blick nach links oder rechts, „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ wird nur am Rande wahrgenommen. Die paar Mütter, Väter und Großeltern, die den Schriftzug doch bemerken, beachten ihn ebenfalls nicht weiter. Und wenn man fragt, wenn man das Netzwerk anspricht, kommt doch von den meisten die Reaktion: „Schule mit Courage? Seid ihr das nicht schon?“
Nein, sind wir nicht. Denn das schwarz-weiß-karierte Schild, so praktisch zwischen Kolping und Kompetenzzentrum angebracht, gehört zu ersterem und nicht zum LGH – zumindest aktuell noch. Doch seit fast einem Jahr bemühen sich einige Schüler darum, dies zu ändern: Das LGH soll „Schule mit Courage“ und „Schule der Vielfalt“ werden.
Beide Projektschul-Titel sind Netzwerke, die ähnliche Werte vertreten, Toleranz und Akzeptanz. „Schule gegen Rassismus – Schule mit Courage“ legt den Fokus allerdings, wie der Name bereits vermuten lässt, auf ein Zeichen gegen Rassismus, während es bei „Schule der Vielfalt“ um Verhinderung von Homo- und Transphobie geht.
Die SMV hat sich mittlerweile für die Projektschulen ausgesprochen und die Arbeitsgruppe als Untergremium gewählt.
Bei manchen stößt der Vorschlag jedoch auf Unverständnis. Warum brauchen wir sowas? Es gibt doch gar keinen Rassismus und keine Homophobie am LGH – wir sind eine tolerante Schule, wird argumentiert.
Doch genau darum geht es ja. Wir sind eine tolerante Schule, und das wollen wir auch zeigen. Denn dass wir Menschen aller Hautfarben und aller Sexualitäten tolerieren, weiß man nur, wenn man bereits Teil des LGHs ist, nicht als Außenstehender. Bei jemandem, der sich die Schule anschaut und sie gerne zukünftig besuchen möchte, stellt sich allerdings die Frage, ob er dort zum Beispiel offen schwul sein darf und trotzdem akzeptiert wird.
Selbst als Bereits-LGHler kann es durchaus sein, dass man nicht weiß, wie die Schule zu solchen Themen steht. Zwar bekommt man nichts von Homo- und Transphobie mit – das Gegenteil ist allerdings auch nicht Thema. Und auch nicht immer ist man mit den anderen „Fällen“ geouteter Schüler vertraut.
Da kann es durchaus sein, dass Zweifel aufkommen, besonders, was das Internat betrifft. Denn das LGH ist für die allermeisten so viel mehr als nur Schule: Wir finden hier einen neuen Lebensraum – was, wenn dieser uns nicht akzeptiert? Immerhin klingt es durchaus plausibel, dass das Internat mit den gleichgeschlechtlichen Doppelzimmern Probleme mit der gleichgeschlechtlichen Liebe hat. Oder dass der Zimmerpartner sich unwohl fühlt, wenn man ihm plötzlich eröffnet, dass man nicht ganz so heterosexuell ist, wie dieser vielleicht bis dato angenommen hat.
In beiden Fällen hilft es ungemein, wenn die Schule und die Schülerschaft ein Zeichen setzen und sagen: Wir sind offen, wir sind tolerant. Denn damit sagen wir auch, dass wir kein Problem haben, darüber zu reden. Dass alle derartige Themen ansprechen dürfen, ohne Gefahr zu laufen, von den Mitschülern ausgelacht zu werden oder sogar das Internat verlassen zu müssen.
Mir persönlich hätte es durchaus geholfen, wenn das LGH zum Beispiel bereits in der Zeit meines Outings Schule der Vielfalt gewesen wäre. Denn damit hätte die Schule mir einerseits signalisiert, dass ich mir keine Sorgen machen muss, was das Internatsleben anbelangt, und andererseits hätte der bloße Diskurs um das Thema und die Präsenz im Alltag dazu geführt, dass das Ansprechen, der erste Schritt, einfacher gewesen wären.
Und letztendlich vertreten wir als Schule genau die Werte, die die beiden Labels repräsentieren, und wir können stolz darauf sein – sind wir auch indirekt, wenn wir uns als Ziel die „Heranbildung einer Verantwortungselite“ setzen. Wenn wir später einmal Verantwortung übernehmen wollen, Verantwortung für unsere Demokratie, dann müssen wir auch für die Werte dieser einstehen können.
Ist es ein politisches Statement, „Schule ohne Rassismus“ und „Schule der Vielfalt“ zu werden? Nein. Es ist vielmehr ein politisches Statement, sich dagegen zu entscheiden.
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