Schon am Morgen während des Frühstücks halte ich das Besteck in den falschen Händen. In meiner linken Hand das Messer, mit dem ich mein Brötchen schneide, bemerke ich, wie die Blicke der anderen voller Sorge auf meiner Hand ruhen. Ich weiß, was sie denken, pass bloß auf mit dem Messer, bevor du dich schneidest. Anderen wird schon vom puren Zusehen dieser Tätigkeit schlecht, lieber konzentrieren sie sich darauf, sich nicht mit dem eigenen Besteck zu verletzen. Anschließend esse ich noch meine Portion Müsli, natürlich den Löffel in der linken Hand. Dabei stoße ich, wie so oft, gegen dem Arm meiner Nebensitzerin. Zwar sagt sie kein Wort, doch auch sie seufzt bestimmt innerlich. Es ist nicht immer einfach…
Bei der Wahl des Platzes im Klassenzimmer achte ich insgeheim darauf, genügend Abstand zu halten, um mit dem Ellbogen nicht jemanden beim Schreiben zu verwackeln. Meistens sitze ich am Ende der einen Reihe, ganz außen. Trotzdem kann ich nicht verhindern, dass sich der Rand vom Block in mein Handgelenk bohrt. Mir bleibt nichts anderes übrig, als das Blatt um mehr als 45° zu drehen – und bekomme die Bemerkung, wie ich so schreiben könne. Nachdem ich fertig bin, möchte ich den Stift beiseite legen. Durch meine schwungvolle Art riss ich den Block mitsamt dem kompletten Inhalt hoch und die zahlreichen Notizen und Blätter verteilten sich auf dem Boden, da sich mein Armband, welches ich um mein linkes Handgelenk trage, in der Spirale vom Block verhedderte. Würde ich mir einen sogenannten Linkshänderblock kaufen, käme ich im Durchschnitt auf höhere Ausgaben. Auch andere Sachen kosten im Durchschnitt etwas mehr. Allgemein empfiehlt es sich nicht als Linkshänder für handwerkliche Sachen zu begeistern, weil die wenigen Werkzeuge, die meist schwer zu besorgen sind, noch weniger zugänglich sind. (Falls jemand gute Kalligraphiestifte für Linkshänder findet, sollte sich fühlen, als hätte er gerade einen hohen Preis gewonnen.) Genervt schreibe ich verkrampft weiter und verwische leicht meine Tinte, obwohl man schon von früh auf lernt, seine Hand zu verdrehen um jenes zu verhindern. Neues Blatt, neue Chance, doch die Flecken auf meiner Hand werden wohl auch nichts an der Tatsache ändern.
Vielleicht sind Naturwissenschaften weniger diskriminierend, doch auch hier liege ich falsch. Denkt doch bloß alle an die Linke-Hand-Regel in Physik. Während man sich normalerweise mit einer Hand versucht zu orientieren und mit der anderen schreibt, bin ich die Einzige, die den Stift immer wieder fallen lassen muss, um die Finger zu spreizen. Manchmal komme ich mir vor, als wäre ich ein Sonderling, nur, weil ich nicht wie die Meisten alles mit rechts tue. Auch die Sprichwörter kann ich schlecht vertragen, „Hast du etwa zwei linke Hände?“ (Nein, nur eine rechte… -_- ) Geschichtlich bedingt ist links auch nicht gerade positiv.
Nach alldem bin ich ziemlich hungrig geworden. Zwar freue ich mich auf das Essen, doch bei der Mensa befindet sich der Scanner für Transponder auf der rechten Seite. Genau als ich reinkomme sind gerade zwei dabei, mit Armdrücken herauszufinden, wer der Stärkere ist. Chancengleichheit besteht aber auch nur dann, wenn man mit der gleichen Hand die gleichen Dinge tut. Nachdem ich innerlich schon tausend Gedankenausbrüche unterdrücken musste, begebe ich mich zu den Übungsräumen, dabei erinnere ich mich noch an das erste Mal, als ich intuitiv den Bogen des Cellos in der falschen Hand hielt.
Das heißt, man wird gezwungen, alles mit der rechten Hand zu tun. Entschuldigung für all die hässlich ausgeschnittenen Figuren, denn niemand besitzt kleine Bastelscheren für Linkshänder. Des Weiteren für all die verunglückten gehäkelten Mützen, denn niemand nahm sich die Mühe, alles genau zu erklären, sowie bei fast allen Anleitungen ausgegangen wird, das nur Rechtshänder existieren und ich solle gefälligst alles mit rechts tun. Kurz tief durchatmen und in mein Bett fallen. Morgen schreiben wir noch eine Klassenarbeit, die schreibe ich mit LINKS!
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