Katalonien; unser aller Lieblingsland. Schon die letzten paar Jahre betreiben mehr als 2,044,038 Katalanen eine Hobby-Revolte. Am 1. Oktober war es genau ein Jahr her, dass das Referendum, mit einem Resultat von 90% für die Unabhängigkeit (und einer Wahlbeteiligung von 43%), bestimmte, dass es anscheinend von Vorteil wäre, sich von Spanien abzuspalten. Und vor kurzem, passenderweise zum ersten Advent, haben zwei der Gefangenen Politiker (Jordi Sánchez und Jordi Turull) bekannt gegeben, dass sie einen unbefristeten Hungerstreik starten würden.
Nun, dieses vorher genannte Referendum wurde natürlich von der Spanischen Regierung unter Rajoy nicht wirklich positiv aufgenommen. Die damalige Regierung folgte der Unabhängigkeitsbewegung willig und, vor Freude wie Bambi springend, in die Eskalationsspirale. Durch die Durchsetzung von Artikel 155 der spanischen Konstitution (der praktisch besagt, dass, wenn sich eine Comunidad Autonóma (eine Art Bundesland) nicht gemäß der Konstitution verhält oder „nicht im Interesse von Spanien handelt“, die Regierung von jener Comunidad durch eine vom Staat ausgewählte Gruppe an Politikern temporär ersetzt wird) wurden mehrere katalanische Regierungsmitglieder des Amtes enthoben und wegen Rebellion und Veruntreuung von Staatsgeldern festgenommen.
Doch etwas ist passiert – nach der Flucht von Puidgemont (dem ehemaligen Präsidenten von Katalonien) nach Brüssel und dem Aufenthalt von mehreren anderen Ex-Regierungsmitgliedern in spanischen Gefängnissen im Pseudo-Märtyrium ist die Anzahl an apokalyptischen Bildern in den Medien gesunken, und der Schrei nach Aufmerksamkeit der verschiedenen Unabhängigkeitsparteien wird von vielen Zeitungen & Sendern nicht weiter unterstützt.
Dies kann man teilweise auf das Missvertrauensvotum (auf Grund eines Korruptionsskandals innerhalb der PP) am 14. Juli 2018 zurückführen, bei dem der Ex-Präsident Mariano Rajoy der PP seines Amtes enthoben wurde und durch Pedro Sánchez, der sozialistischen Arbeiterpartei (die nicht so links ist wie es klingt, sondern vergleichbar mit der SPD vor etwa 20 Jahren ist), ausgetauscht wurde. Um dieses Votum zu gewinnen musste sich jedoch die PSOE (Sozialistische Arbeiterpartei) sowohl auf die linke Protestbewegung der Podemos-Partei, als auch auf nationalistischen baskischen und katalanischen Parteien verlassen.
Trotzdem ist immer noch kein Frieden eingekehrt; die nächste Generation an Möchtegern Che-Guevaras ist an der Macht. Quim Torra, der neue hardline-nationalistische Präsident von Katalonien verhält sich, als würden „die Spanier“ sie unterdrücken, und bezeichnet sich und seine Brüder im Geiste als „Revolutionäre“. Währenddessen werden Dinge wie die Unruhen am 1.Oktober (dem ersten Jubiläum der Unabhängigkeitserklärung) von ihm unterstützt. Letzterem widerspricht Puidgemont doch aus Brüssel; man solle diesen „totalitären“ Staat nicht mit Gewalt bekämpfen, sondern ihm friedlich entgegenwirken. Dass man einen demokratischen Staat mit einer rechtmäßig gewählten Regierung als totalitär bezeichnen kann, bleibt ein Mysterium.
Insgesamt kann man behaupten, dass der „Unabhängigkeitskrieg“ von einem immernoch beachtlichen Prozentsatz der Bevölkerung insgesamt, zumindest teilweise, von beiden Seiten durch kleinere Provokationen oder übertriebene Reaktionen in die Höhe getrieben wird. An dieser Spirale nehmen nicht nur die Polizei teil, die am Samstag mindestens eine Hundertschaft Polizisten und mehrere Hubschrauber mobilisierte, sondern auch die Bürger der oberen Mittelklasse, die stolz ein gelbes Bändchen tragen (das nicht nur für die Unabhängigkeit selber, sondern auch für die Freilassung der „politischen Gefangenen“ steht), sich weigern, dem Bäcker auf spanisch zu antworten und hier und da die „Unterdrückung des Katalanischen Volkes“ in einem fast nationalistischen Tonfall hervorheben.
Man muss sich jedoch nach diesen verschiedenen politischen Events fragen, warum es eigentlich überhaupt eine Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien gibt, welche die Gründe für solche Aktionen sind, was fast die Hälfte eines Landes inspiriert und dafür sorgt, dass diese sonst so sofa-affinen Konsumenten auf die Straße gehen!
Nun, die Antwort ist genauso einfach wie skurril: Steuervorteile. Die Bevölkerung wird weder kulturell noch sozial benachteiligt, die einzigen Aspekte, bei denen man sagen könnte, dass Katalonien benachteiligt wird, sind die Infrastruktur und die allgemeine Verteilung der Steuern, da viele Unterstützer der Unabhängigkeitsbewegung damit argumentieren, dass Katalonien weniger von Spanien zurückerhält als es dem Staat beiträgt, und dass z.B. Zuglinien im Rest des Landes stärker ausgebaut werden als in Katalonien.
Obwohl dies halbwegs passable Argumente sind, muss man bedenken, dass Spanien durchaus kein Land der 3.Welt ist, es immer noch nicht reich ist und bei einem Bruttoinlandsprodukt von 1.166.319M.€ und sich mit Schulden in der Höhe von 1.144.425M.€ noch nicht ganz von der Krise erholt hat. Deswegen kann man behaupten, dass es trotzdem verständlich ist, dass die spanische Regierung nicht alles Katalonien zurückgibt, da es selber ein Bruttoinlandsprodukt von 223.139M.€ hat, die Schulden Kataloniens viel geringer sind, und dessen Infrastruktur schon stark ausgebaut ist. Abgesehen davon gibt es auch eher benachteiligte Länder, die zweifellos staatliche Förderung benötigen und nicht so unglaublich stark vom Massentourismus profitieren wie Katalonien.
Wenn man nun wieder das kurze flackernde Aufflammen der Debatte um die Unabhängigkeit, entzündet durch Ereignisse wie der Hungerstreik am 1.Dezember oder den herannahenden Prozess betrachtet, erscheint es einem fast so, als wäre dies ein relativ gut geplanter Witz, der aus der Langeweile und partialer Geschichtsvergessenheit mehrerer Personen, die zufälligerweise dieselbe eigenartige Mischung aus Französisch und Spanisch sprechen, entstand.
Selbst wenn dem so wäre, muss man immernoch diese und andere Bewegungen ernst nehmen, selbst wenn bei einer Analyse nur wenig mehr als ein paar schwache ökonomische Argumente und patriotisch-ideologisches Gewummer herauskommt. Vor allem in diesen Zeiten, in denen man sich zwischen Nationalismus und rationalem Denken entscheiden muss.
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