„Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten.“

Dieser einprägsame Satz diente bis ins Jahr 2006 dazu, sich die Reihenfolge der Planeten in unserem Sonnensystem zu merken. Von innen nach außen: Merkur – Venus – Erde – Mars – Jupiter – Saturn – Uranus – Neptun – Pluto. 2006 beschloss die Internationale Astronomische Vereinigung (IAU) jedoch, die Himmelskörper im Sonnensystem neu zu kategorisieren und so wurde Pluto, der bis dahin Status als Planet genossen hatte, kurzerhand zum Zwergplaneten degradiert. Wenn Kinder heute in der Schule über das Sonnensystem lernen, so tun sie dies meist mit dem leicht abgeänderten Satz: „Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unseren Nachthimmel“.
Ironischerweise könnte der ursprüngliche Merksatz in naher Zukunft ein Comeback feiern.
Von nicht wenigen Forschern, allen voran Mike Brown (Astronom am Caltech und selbsternannter Plutokiller, da er es war, der die Herabstufung Plutos zum Zwergplaneten auf den Weg gebracht hatte) wird postuliert, dass jenseits des Neptun ein weiterer, neunter Planet seine Bahnen um die Sonne ziehen könnte. Hierbei ist es wichtig zu betonen, dass dieser „Planet Neun“ nach aktuellem Stand der Wissenschaft keineswegs bestätigt ist; vielmehr handelt es sich um eine Hypothese. Vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten hat jene Theorie viel an Zustimmung gewonnen, denn es häufen sich die Indizien, dass ein weiterer, relativ massereicher Planet existieren müsste, um das äußere Sonnensystem so aussehen zu lassen, wie es das heute tut.

Der hypothetische Orbit von Planet Neun. Die Umlaufbahnen der TNOs (lila) lassen sich laut Mike Brown gravitativ mit der Anwesenheit eines etwa neptungroßen Planeten am Rande des Sonnensystems erklären.
© NASA, Caltech/R. Hurt (IPAC)

Dass Astronomen überhaupt auf die Idee kamen, dass es noch einen weiteren, bislang unentdeckten Planeten geben könnte, liegt hauptsächlich daran, dass über die Jahre einige Auffälligkeiten bei Umlaufbahnen von sogenannten transneptunischen Objekten (TNOs) aufgetaucht sind, die mit den bisherigen anerkannten Modellen nicht wirklich erklärt werden konnten.
Nun schlug zum zweiten Mal die Stunde des Mike Brown, als er und sein Kollege Konstantin Batygin im Januar 2016 eine mögliche Lösung für das Problem präsentierten. Laut ihnen bzw. ihrer Hypothese kann die Anwesenheit eines neunten Planeten nahezu alle Ungereimtheiten der TNO-Orbits auflösen. Sie hatten diverse Computermodelle mit möglichst vielen vorhandenen Daten gefüttert und kamen zu dem Schluss, dass die besten, am nächsten an der Realität liegenden Ergebnisse, dann erzielt wurden, wenn sie einen Planeten in die Simulationen mit einbezogen hatten, der in etwa zehnmal so massereich und dreieinhalb mal so groß war wie die Erde.
Aus der Auswertung schlossen Batygin und Brown zudem, dass der Orbit von Planet Neun vollständig hinter dem des Neptun liegen müsste, genauer gesagt in durchschnittlich ca. 700 AE Entfernung (105 Mrd. Kilometer bzw. 4 Lichttage) zur Sonne, was nach den Keplerschen Gesetzen zu einer Umlaufzeit von etwa 20 Tausend Jahren führen würde (zum Vergleich: Neptun braucht für einen vollen Umlauf um die Sonne „lediglich“ 165 Jahre). Von Unsicherheit ist, wie genau der Planet aussehen könnte. Der Größe nach gleicht er eher dem Gasriesen Neptun. Es könnte sich aber auch um einen Gesteinsplaneten der Kategorie Supererde handeln.

Damit die Spekulationen nicht nur Spekulationen bleiben, sondern „ihr“ Planet Neun auch wirklich gefunden wird, haben Batygin und Brown die Suche nach dem mysteriösen Himmelskörper aufgenommen. Sowohl das Subaru-Teleskop als auch Pan-STARRS, beide stationiert auf Hawaii, dienen als Instrumente der Hoffnung. Den hypothetischen Planeten wirklich aufzufinden, ist aber wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Zwar konnten Batygin und Brown den Abschnitt des Himmels, wo sich Planet Neun aktuell aus unserer Sicht befinden müsste, inzwischen eingrenzen. Doch die Suche wird durch weitere Faktoren wie die Entfernung des Planeten und die extrem geringe Geschwindigkeit, mit der sich Planet Neun um die Sonne bewegen müsste, erschwert.
Und dann ist da noch die Möglichkeit, dass es den postulierten Planeten gar nicht gibt. Zwar haben wir aktuell keine bessere wirklich plausible Erklärung für die Bahnabweichungen der TNOs, aber es werden eben nicht nur Beobachtungen gemacht, die Batygins und Browns Hypothese stützen, sondern auch immer mal wieder jene, die gegen die Theorie der beiden Forscher sprechen. Falls Planet Neun jedoch existiert, stehen die Chancen gut, ihn in einigen Jahren mit Teleskopen der nächsten Generation aufzuspüren.

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