HMUN – bevor ich überhaupt anfange, sollte erstmals geklärt werden wofür diese vier unscheinbaren Buchstaben stehen. Ausgeschrieben heißt es Harvard Modal United Nations. In vier Tagen simuliert man verschiedene Gremien der Vereinten Nationen, bewegt sich auf diplomatischen Parkett als Vertreter einer beliebigen Nation, wichtig ist hierbei, am besten nicht die eigene. Solche Veranstaltungen gibt es überall auf der Welt, diese wird speziell von der amerikanischen Universität Harvard an der Ostküste veranstaltet.
1. Die größte Hürde vieler ist vermutlich die Reise. Angesichts diversen Klimaproblemen wird einem angeboten nur für eine Woche einen Transatlantikflug zu machen. Skeptisch betrachtet man die Kosten und die Umweltbilanz jener Zusammenkunft. Zynischer Weise besitzt HMUN tatsächlich ein Ausschuss für Klimawandel. Nimmt man die Verschmutzung in Kauf, die man dadurch veranstaltet? Bevor man auf den Flug zu lange nachdenkt, befindet man sich in einem Land, wo der Klimawandel gar nicht existiert. Dies bezieht sich auch auf die Mentalität und die Art im Supermarkt einzukaufen. Ich stellte mich der Herausforderung möglichst wenig Plastik zu verwenden, was angesichts der Tatsache das selbst Schinken in einer Plastikdose nochmals in Plastik eingewickelt war, nicht im geringsten an einfach grenzte.
2. Das Lösen von kleinen Problemen lag in meiner Hand, doch während HMUN stellt sich eine weitere gravierende Frage. Wozu ist das alles gut? Stundenlanges sitzen, diskutieren über reale Probleme und fiktive Resolutionen zu veröffentlichen, die letztendlich auch nur eine temporäre Lösung bieten. Auch schon bei anderen Simulationen kam ich etwas frustriert aus den Sitzungen. Die Lösungen der ausgearbeiteten Papiere sind utopisch. Manche Vertreter von Staaten haben sich zwecks einer Entscheidung gegen ihre realen Interessen gestellt. Aber die Lösung gilt nur für die paar Stunden bis zum Abschluss der Veranstaltung. Es frustriert, ohne Zweifel, zu wissen, dass das, worüber wir in geschlossenen und sicheren Türen reden, auf einem anderen Fleck der Welt ein akutes Problem darstellt. Im Rahmen von HMUN eröffneten verschiedene Redner mit ihrer eigenen Geschichte die Konferenzen. Es war schon fast erschreckend, wie manche der mehreren tausend Delegierten wenig Interesse aufbrachten. Obwohl selbst Respekt in Form den Mund zu halten schon angebracht gewesen wäre, anstatt sich innig mit dem Thema auseinander zu setzten. Die anwesende Masse machte dieses Ergebnis deutlich.
3. Aber neben dem gab es noch einen weiteren Grund, den mir kleinere MUN Veranstaltungen nicht geben hätten könnten. Der Kulturaustasuch in dem Sinne, wie er in dem Moment erfahren wurde. Als eine internationale Veranstaltung lernte man Personen aus Brasilien, Tunesien oder Indien kennen. Kurze oder längere Gespräche über die Art und Weise, wie anders doch das Leben und dann erstaunlich wieder gleich ist, ergaben sich dabei. Im Urlaub einen kurzen Blick auf das Land zu werfen, faszinierte mich schon immer, aber dieses Mal war ich ebenfalls Tourist wie sie. Letztendlich ist es alles nur ein Stück Land auf dem die Leute etwas neues und eigenes erschaffen. Auch unter den Namen „Cultural Extravaganza“, stellten sich fernere Länder vor allem aus Südamerika vor. Mit kleinen Ständen luden sie ein, Essen aus ihrem Land zu probieren, um sich nur später mit einstudierte Tänzein und bunten Kleidern in meinen Kopf zu brennen.
4. Andererseits gab es noch die amerikanischen Mentalität, welche doch gleich sei, aber auch an vielen Stellen verschieden. Irgendwie ist es die westliche Welt, Neuengland, aber sobald man dann am Rande der Stadt auf die Skyline mit all den Wolkenkratzern schaut, legt man den Kopf schräg und wundert sich über Amerika. Das war Mal das Land der Träume. Wer die Ostküste vor einigen hundert Jahren entdeckte, war vermutlich glücklich. Die letzten Meter würde er auch noch dabei sein. Gerade Massachusetts mit seinen übriggebliebenen alten Häusern und dem Boston Massacre trieft vor Geschichte. Die Bilder von der Boston Tea Party fanden an dem Hafen statt, wo ich mir gerade etwas zu essen gekauft habe. Wissenschaftler streiten, ob es sich um eine Revolution handelt, aber defintiv entwickelte sich daraus ein Einbruch in bestehende politische Systeme, dominiert von Monarchien: Die vermutlich erste Demokratie, auf die U.S.-Amerikaner besonders stolz sind. Doch was ist übrig geblieben von dieser Demokratie? Inwieweit gehören ein zwei Parteien-System oder Gerrymandering dazu? Wie hoch sind die Erwartungen? Kaum spricht man in Deutschland von einer Einheit, wie kann man das bei einem geografisch größerem Staat wie diesem, welcher sich über Maine bis Hawaii erstreckt, verlangen? Nun lauf ich über den teils schlecht geteerten, unebenen Straße, bei dem ich ein wenig Europaweh bekomme. Die grünen Dollarscheine, die man nicht mal durch ihre Größe unterscheiden kann, aufgeladen mit Symbolen für Freiheit, erinnern mich höchstens an Geld aus den Filmen. Die Erfahrung bei einem Eishockeyspiel dabei zu sein und den Superbowl ohne große Zeitverschiebung mitzuerleben (welches doch den ein oder anderen LGH neidisch macht), brachten das Land näher, über welches ich so oft im Abstrakten während des Englischunterrichts geredet habe.
5. Außerhalb von HMUN besuchten wir sowohl Harvard, das MIT und das deutsche Genralkonsulat in Boston. Die beiden Privatuniversitäten gehören der weltweiten Elite an. Ein bisschen skeptisch läuft man auf dem Campus umher, obwohl die Gebäude ganz unterschiedliche und interessante Geschichten aufweisen, lassen sie einen irgendwie kalt, da es für die meisten von uns keine Option ist, sondern nur eine touristische Attraktion. Auch wenn es verschiedene Stipendien gibt, erfordert das Studieren an jener Universität immer noch viel Geld. Ich erinnere mich, wie die amerikanischen Schüler in unserem Kommittee verzweifelt nach Tipps und Rat gesucht haben, wie man am besten in solche prestigen Insitutionen hineingelangt. Kurz vor der Bibliothekt blieben wir stehen. Auffällig ist hierbei das so gut wie überall die amerikanische Flagge unübersehbar dem Windspiel ausgesetzt ist. Es ist fast schon lustig, wie sie sich an den unterschiedlichen öffentlichen Gebäuden an der Größe übertreffen. Die neue Abteilung der Stadtbibliothek kaschiert mit einer überdimensionalen Flagge zumindest hervoragend die eintönigen grauen Wände. Und das MIT? Einer der besten technischen Universitäten der Welt präsentiert sich in seiner Glanzseite. Die Sonne scheint auf das architektonisch zu bewegend erscheinende Campusgebäude. Die sogenannten „Hacks“ erinnern mich an die Nachtaktionen des LGHs, obwohl diese vermutlich weniger drastisch ausfallen, als das Klauen und Installieren eines Polizeiautos aufs Dach des Hauptgebäudes.
Nun zur letzten Station unserer Reise, obwohl schon viele sich mit irgendeiner heftigen Grippe angesteckt haben, weshalb nur ein kleiner Teil der Truppe sich in dem Generalkonsulat zusammengequetscht an einem Gespräch teilnahm. Bereichernd, da es die deutsche Außenpolitik besser verständlich machte. Schnell merkte man, dass der Fokus neben den bürokratischen Tätigkeiten auf den kulturellen Austausch legt. Es ist eine Pflege eines Kontakts. Der Holocaust zum Beispiel ist selbst hier noch ein Thema. Auch so entfernt gibt es ein Memriol, bei dem Dampf aus dem Boden steigt. Noch heute scheint dies in den Köpfen der Menschen, als fest verankartes Bild zu sein. Welches Bild gibt also Deutschland auf die anderen Länder ab und welches wird angestrebt?
Mit gemischten Gefühlen stehe ich wieder am LGH. Eine Woche vergeht dann doch schneller, als man denkt. Viel zu müde und gleichzeitig aufgeregt zu erzählen, stürze ich nach einem provisorischem Mittagessen vom Norma in mein Bett. Ob es einem wert ist, muss man dennoch selbst entscheiden. Ich persönlich bereue meine Entscheidung dennoch nicht.
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